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Beitrag vom 04.12.2023
Zahl antisemitischer Vorfälle in Berlin auf Höchststand. Bundesweit 29 antisemitische und terrorverherrlichende Vorfälle
AVIVA-Redaktion
Berlin, 28.11.2023: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) verzeichnete zwischen dem 7. Oktober und dem 9. November 282 antisemitische Vorfälle. Der Bundesverband RIAS e.V. untersuchte in einem Monitoringbericht antisemitische Reaktionen und Vorfälle in Deutschland im Kontext der Massaker und des Krieges in Israel und Gaza zwischen dem 7. Oktober und 9. November 2023.
Berlin, 28.11.2023: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) verzeichnete 282 antisemitische Vorfälle zwischen dem 7. Oktober – dem Tag, an dem die Terrororganisation Hamas Massaker an der israelischen Zivilbevölkerung verübte – und dem 9. November – dem Tag, an dem sich die Reichspogromnacht zum 85. Mal jährte. Das sind im Schnitt mehr als acht Vorfälle pro Tag. Seit Beginn der zivilgesellschaftlichen Dokumentation im Jahr 2015 gab es keinen Monat, in dem RIAS Berlin so viele Vorfälle bekannt wurden wie im Oktober 2023.
Antisemitismus ist präsent im öffentlichen Raum
Antisemitische Reaktionen auf den Terrorangriff der Hamas zeigen sich im öffentlichen Leben in Berlin: Im öffentlichen Nahverkehr und in Bars wurde lautstark und ohne Scheu über das Töten von Jüdinnen und Juden fantasiert; Plakate, die die Freilassung der israelischen Geiseln fordern, wurden abgerissen oder beschmiert; Teilnehmende von Mahnwachen, bei denen der Ermordeten und Entführten des 07. Oktobers gedacht wurde, wurden von Umstehenden antisemitisch angepöbelt. Auf Social Media wurde das Hamas-Massaker an den Israelis vom 07. Oktober wiederholt legitimiert.
Enthemmte Gewalt
Das bei RIAS gemeldete Vorfallgeschehen ist seit dem 07. Oktober eskaliert. In der Nacht zum 18. Oktober wurden brennende Molotowcocktails auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin-Mitte geworfen. Die Brandsätze verfehlten das Gebäude und erloschen auf dem Gehweg. Auf israelfeindlichen Versammlungen kam es zu Terrorverherrlichungen und Gewaltaufrufen. Diese ereignen sich an verschiedenen Orten in der Stadt, zum Beispiel auch an einer Berliner Hochschule. Die antisemitische Sprache auf Online-Plattformen wurde brutaler: jüdische Nutzer_innen sind dort vermehrt mit Vernichtungsfantasien konfrontiert.
Jüdisches Leben findet im öffentlichen Raum nur noch eingeschränkt statt
Jüdinnen und Juden verstecken seit dem 07. Oktober noch mehr als zuvor jüdische Zeichen und Symbole: eine Mütze über der Kippah, den Davidstern-Anhänger unter dem Schal verbergen, kein Hebräisch-Sprechen auf der Straße. Dieses individuelle Vermeidungsverhalten bildet sich in Reaktion auf antisemitische Erfahrungen heraus und wird von einem großen Teil der jüdischen Communities umgesetzt. Jüdisches Leben in Berlin wird so weniger sichtbar, weniger offen gelebt.
Im Alltag kaum Solidarität spürbar
Viele Menschen beteiligten sich nach dem 07. Oktober an Gedenkkundgebungen und Mahnwachen, bei denen die von der Hamas Ermordeten betrauert und die Rückkehr der verschleppten Geiseln gefordert wurde. Wenn sich jedoch in alltäglichen Situationen antisemitische Vorfälle ereignen, stehen die Betroffenen oft alleine da. Sie schildern, dass umstehende Passanten oder Fahrgäste nicht reagierten während sie antisemitisch beschimpft wurden. In anderen Fällen stießen die antisemitischen Äußerungen gar auf Zuspruch.
Stimmen zum Bericht
Ruth Hatlapa – Projektreferentin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin:
"RIAS Berlin bekommt seit dem 07. Oktober mehr Meldungen und dokumentiert mehr antisemitische Vorfälle in Berlin als in jedem anderen Zeitraum seit Beginn der Dokumentation in 2015. Viele Betroffene sind erschüttert von den Terrorangriffen der Hamas, trauern um die Opfer und sorgen sich um die Entführten. Sie berichten von antisemitischen Anfeindungen im Supermarkt, in der U-Bahn oder im Wohnumfeld bei denen Umstehende keine Unterstützung geleistet haben. Berliner und Berlinerinnen sind gefragt, Betroffene von Antisemitismus nicht allein zu lassen, gerade auch in Situationen des Alltags."
Bianca Klose – Projektleiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin und Geschäftsführerin des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin:
"Das Massaker der Hamas in Israel hat auch in Deutschland spürbare Auswirkungen, die in erschütternder Deutlichkeit zeigen, wie notwendig der Schutz Jüdischen Lebens in Deutschland und Berlin ist. Jüdinnen und Juden haben Anspruch auf den Rückhalt der gesamten Stadtgesellschaft und erwarten zu Recht, dass deren Institutionen jeder Form des Antisemitismus entschieden entgegentreten. Ob Kultureinrichtungen oder Hochschulen - aus unserer Beratungspraxis wissen wir von vielen Institutionen, die derzeit um ihre Haltung und noch mehr um deren praktische Umsetzung ringen. Die MBR unterstützt und begleitet sie dabei und steht an der Seite aller, die sich für eine entschiedene Position gegen jede Form des Antisemitismus stark machen."
Tabea Adler – Teamleitung OFEK Berlin und leitende Beratung OFEK e.V.:
"Der immense Anstieg der von RIAS Berlin dokumentierten antisemitischen Vorfälle innerhalb eines kurzen Zeitraums macht deutlich, in welcher Ausnahmesituation sich die jüdischen und israelischen Communities in der Hauptstadt seit den Massakern vom 7. Oktober befinden. Die Virulenz und Wirkung eines gewaltbereiten Antisemitismus und die Antizipationen weiterer antisemitischer Anfeindungen spiegeln sich im exorbitanten Anstieg der Beratungsanfragen von OFEK Berlin, die im Zeitraum des RIAS Berlin-Berichts das Beratungsaufkommen der letzten Jahresstatistik von OFEK Berlin fast übertreffen. Seit dem 7. Oktober bis zum 9. November 2023 zählt OFEK Berlin mindestens 160 Beratungsfälle (161 von Juli 2022 bis Juni 2023), davon 92 mit Bezug zu erlebtem Antisemitismus. OFEK Berlin wird weiterhin nicht nur häufiger aufgesucht, sondern auch im Zusammenhang mit heftigeren Vorfällen als in früheren Jahren. Die Verdichtung der antisemitischen Bedrohung in den letzten Wochen wird das Sicherheitsempfinden der jüdischen und israelischen Berliner_innen langfristig beeinträchtigen."
Der Bericht "Nach den Terrorangriffen der Hamas – Antisemitische Vorfälle in Berlin vom 7.10.2023 bis zum 9.11.2023" ist online unter: report-antisemitism.de/documents
Der Bericht über die bundesweiten Entwicklungen seit dem 7. Oktober des Bundesverbands RIAS e.V.: "Antisemitische Reaktionen auf den 07. Oktober. Antisemitische Vorfälle in Deutschland im Kontext der Massaker und des Krieges in Israel und Gaza zwischen dem 07. Oktober und 09. November 2023" ist einsehbar unter: report-antisemitism.de/BundesverbandRIAS
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Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) wurde im Januar 2015 durch den Verein für Demokratische Kultur in Berlin (VDK) e.V. gegründet. Sie wird gefördert durch das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung und durch die Amadeu Antonio Stiftung. RIAS Berlin erfasst strafbare und nicht-strafbare antisemitische Vorfälle in Anlehnung an die IHRA Arbeitsdefinition von Antisemitismus und vermittelt Unterstützungsangebote an die Betroffenen. RIAS Berlin ist Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V.
Pressemitteilung Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin und Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e. V. (Bundesverband RIAS), 28.11.2023